Als wir in Tsawwassen auf dem Campground ankamen – nach einem Großeinkauf im Walmart nebenan, wollten wir das Wohnmobil für den Nachmittag und für die Nacht vorbereiten. Wie immer bedeutete das unter anderem, alle drei Slide Outs auszufahren, damit wir an die Schränke ran kommen konnten und vor allem an das große Bett hinten. Wir finden Wohnmobile mit Slide Outs besonders praktisch, sie verschaffen einem doch zusätzlichen Raum. 2012 in Kalifornien konnten wir so sogar ein Reisebettchen für den – damals 2-jährigen – Sohnemann aufstellen.
Und… zwei der Slide Outs wollten nicht wie wir! Sie blieben “zu”. Wir probierten alles Mögliche aus, es ging gar nicht. Irgendwann mussten wir doch in den sauren Apfel beißen und bei Apollo in Seattle anrufen – vom deutschen Handy aus, aus Kanada, nach USA… Sie konnten auch nicht weiterhelfen, wollten uns aber für den nächsten Tag jemanden schicken (bzw. eine Werkstatt für uns suchen). Oder wir hätten wieder nach Seattle zurückfahren können, was ja gar nicht infrage kam!
Da wir auch keine Zeit hatten, am nächsten Tag auf einen Mechaniker zu warten – wir hatten eine sehr frühe Fähre gebucht – ließen wir uns eine Werkstatt in Victoria nennen. Ein netter Campingplatzbewohner – einer von diesen, die quasi immer da wohnen – brachte sein Werkzeug (s. letzten Post) und versuchte, uns zu helfen. Es ging auch nicht!
Frustriert und genervt aßen wir zu Abend und schliefen etwas gequetscht auf dem Bett, was man in der Mitte bauen kann, wenn der Tisch weg ist, wir kamen aber dennoch nicht zu unseren Schränken ran…
TAG 7 – 01.08.2017
– gefahren: 45 km + Fähre Tsawwassen – Swarz Bay (50 km)
– gelaufen: 8,5 km
– Übernachtung: Fort Victoria RV Park, Victoria
Die Fähre fuhr mehr oder weniger pünktlich los, es war diesig und irgendwie auch kalt, kein besonders schönes Wetter für Seereisen… Immerhin gab es aber keine Wellen und wir wurden nicht seekrank. Die Fahrt dauert übrigens ca. 1,5 Stunden (50 km).
Eigentlich wollten wir direkt nach dem Anliegen der Fähre verschiedene Sachen auf dem Weg nach Victoria sehen wollen, unter anderem einen wunderschönen Park (Butchart Gardens), aber wir beschlossen, doch direkt zur Werkstatt zu fahren und versuchen, das Wohnmobil reparieren zu lassen.
Und, wisst Ihr was? Vorführeffekt! Bei der Werkstatt ließen sich alle Slide Outs komplett herausfahren, als wäre es nichts gewesen! Der Mechaniker hatte aber auch keine Ahnung, denn Wohnmobil ist nicht Wohnmobil, sagte er! Eine Werkstatt, die auf unser WoMo-Hersteller speziallisiert war, hätte uns vielleicht helfen können … Die war aber nicht in der Nähe.
Also, von wegen neues Auto! Auch ein 4 Monate altes Wohnmobil macht Probleme!
Wir nahmen alles Nötige aus den Schränken heraus, nur für den Fall, und fuhren zum Campingplatz. Dort… fuhren die Slide Outs wieder nicht raus. So eine Sch… Immerhin hatten wir jetzt aber Klamotten für 1-2 Tage.
Ein weiterer Anruf bei Apollo brachte auch nichts mehr als die Nennung einer weiteren Werkstatt im weiteren Verlauf unserer Route. Kleidung war letztendlich nicht so wichtig, wir hatten einige Sachen, die wir hätten waschen können. Wir hatten aber irgendwie Sorgen, dass das Ding womöglich noch kaputter hätte werden können, bei der Elektronik weiß man es ja nie. Und wir wollten nicht, dass uns das in den Bergen passiert…
Nun gut, wir wollten uns für den Moment nicht noch mehr damit beschäftigen, wir hatten auch so Zeit verloren. Wir ließen alles stehen und liegen und fuhren – relativ lange – mit dem Bus ins Zentrum Victorias.
Victoria ist die Hauptstadt der Provinz British Columbia und eine sehr schöne aber überschaubare Stadt. Im Zentrum dominiert das Parlamentsgebäude die Landschaft um den Hafen.
Wir gingen zur Touristeninformation zuerst, um Tickets für eine Walbeobachtungstour zu buchen. Auf Vancouver Island kann man von mehreren Stellen aus Wale beobachten, am besten wohl im Norden der Insel, bis dahin wollten wir nicht fahren (bzw. hatten die Zeit dafür nicht). In Victoria geht das aber auch.
Ähnlich wie bei der Wasserflugzeugtour wollten wir nicht im Voraus buchen, weil wir nicht wussten, wie das Wetter sein würde. So stellten wir an der Information fest, dass beim Anbieter unserer Wahl (“Eagle Wings”, die sind am längsten draußen auf dem Meer, meistens 4 Stunden, die andere Anbieter nur 3) nur noch zwei Touren für den Tag frei waren: eine im offenen Speedboot am Nachmittag und die Sunset-Tour im Katamaran um 19 Uhr. Wir wollten es den Kindern nicht zumuten, im offenen Speedboot 4 Stunden auf dem Meer zu sein, so buchten wir die Sunset Tour, den der Katamaran hatte immerhin auch eine Kabine, falls einem doch zu kalt wurde.
Wir hatten uns aber auch für sie entschieden, weil sie mit dem Katamaran zwar nicht so nah an die Tiere gehen, wie z. B. Firmen, die Zodiacs besitzen, es ist aber besser für die Tiere, wenn man nicht zu nah ran geht. Und Zodiacs gehen einfach viel zu nah ran. Dieser Anbieter unterstützt außerdem mit einem Teil der Einnahmen diverse Non-Profit Organisationen, die sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz engagieren.
Vorbei an Straßenmusikern liefen wir dann zum Mittagessen – es gab gerade ein Street Food Festival. Dann schlenderten wir langsam – wir hatten ja wirklich enorm viel Zeit – Richtung Fisherman’s Wharf, von dort aus ging unsere Waltour los.
Nach drei Tagen in Vancouver mit etlichen Kilometern zu Fuß hinter uns, waren wir etwas platt und hatten nicht so richtig Lust, allzu viel zu laufen. Der Weg zum Fisherman’s Wharf lief aber dennoch an schönen – viktorianischen? – Gebäuden vorbei, das war uns dann Sightseeing genug.
Und wer gedacht hätte, dass ganz Victoria so aussieht, der täuscht sich! Die Welt am Fisherman’s Wharf ist so was von weit weg von “viktorianisch” und so was von anders – quietschbunt, rustikal und, ja, ein Hafen und nicht die Innenstadt.
Es gibt da mehrere Häuser, verteilt auf drei Docks. Und eigentlich sind das keine richtigen Häuser, sondern Boot- bzw. schwimmende Häuser! Alle sehr bunt, manche fast zu grell, aber zusammen eine wunderbare Ansammlung und wirklich mal was anderes.
Ich denke, man braucht durchaus ein gewisses Etwas an Nonkonformität und Coolness, um so bunt zu leben und vor allem so “auf dem Präsentierteller”, mitten in einem Ort, der ständig von Hunderte von Touristen wimmelt. Für mich wäre das nichts – nicht wegen bunt, sondern wegen des ständigen Wackelns und Schaukelns. Wasser ist definitiv nicht mein Element und auf einem Boot zu sein nicht so meins.
Die Häuser sind klein und offensichtlich hat man nicht überall Platz für Besucher und Gäste, an einem der Häuser war zumindest der Platz für die Schwiegereltern (in-laws) draußen auf einem alten Boot ;-D.
Das schönste Gebäude – fragt man zumindest unsere Tochter -, war das Sweets-House, wo sie Zuckerwatte kaufte. Einfach nur süß! (auch das Haus, nicht nur die Zuckerwatte ;-).
Was wir in Victoria auch ganz süß fanden, waren die Wasser Taxen. Sie fuhren zwischen dem Haupthafen und dem Fisherman’s Wharf hin und her – total putzig!
Wir verbrachten einfach mehrere Stunden da und beobachteten das bunte Treiben. Ein frühes Abendessen bestand unter anderem aus “Fish and Chips” für die Kinder, sie wollten das unbedingt ausprobieren und Lachs Teriyaki für meinen Mann und mich. Lecker und vor allem sehr frisch, etwas anderes hätte ich dort nicht erwartet!
Endlich war es soweit! Wir bekamen unsere Anweisung von unseren Tourguides auf dem “4ever wild” Katamaran und es konnte losgehen!
Solche Walbeobachtungs-Touren führen einen dahin, wohin die Wale sind. Das kann jeden Tag woanders sein, die Kapitäne sprechen sich untereinander ab und man hat so größere Chancen, tatsächlich Wale zu sehen. Gemütlich aus dem Hafen herausgefahren, dann nichts wie los mit full speed ins offene Meer. Da fühlt man sich glatt wie Rose am Bug der Titanic ;-).
Es war wirklich schnell und dann auch schnell kalt, bei der Geschwindigkeit (ich glaube, der Katamaran konnte bis 28 Knoten schnell fahren, das sind knappe 52 kmh. Es klingt nicht nach viel, auf offenem Meer ist das aber, vor allem, wenn man vorne steht).
Das Boot konnte aber auch mehr oder weniger schnell bremsen, als Wale in der Nähe waren und dann sehr, sehr langsam oder auch gar nicht fahren.
Wir sind so – so nah es ging – an diversen Wale gekommen, allesamt Buckelwale, wie uns gesagt wurde (Humpback whales). Die tauchten gemütlich 3-4 Mal auf, um dann wieder zu verschwinden.
Es war weiterhin sehr diesig (im Nachhinein – zwei Tage später – erfuhren wir, dass das nicht “Wetter” war, sondern Waldbrandrauch, über Hunderte von km vom Wind geweht…), das Licht war aber dennoch irgendwie schön.
Meine Walfotos sind nun nichts Besonderes – auch, weil meine Hand auf der Kamera immer wieder fror, das Licht immer weniger wurde und auf dem fahrenden und schaukelnden Boot ein Stativ sowieso nichts genutzt hätte. Ich hatte auch gehofft, mehr von den Tieren zu sehen, wer weiß, ja sogar springende Wale – manchmal tun sie ja das. Und mein Kleiner hoffte so sehr, Orcas zu sehen, das sind, nach Eisbären, seine Lieblingstiere (warum auch immer). Orcas gab es am Tag davor in der Nähe von Victoria zu sehen – leider – sonst sind sie deutlich weiter im Norden. Nun gut, Humpbacks sind auch toll!
Dieser Wal hier kam unerwartet nah am Boot, als wir schon standen und uns einen anderen Wal in der Ferne anschauten. Aber mehr von ihm hier gab’s leider auch nicht zu sehen, er tauchte dieses eine Mal auf und dann weg war er.
Dafür gab’s vor der untergehenden Sonne einmal Wal-Blas (so heißt wohl diese ausgeatmete Luft) für die Kameras ;-).
Wir fuhren dann noch bis zum Race Rocks Lighthouse, das sind – als Luftlinie – vielleicht insgesamt 30 km von Victoria. So weit sind wir also gefahren – und natürlich auch zurück. Bei den Race Rocks gibt es jede Menge Seelöwen und Robben, die Fotos sind aber nicht gut geworden, es war mittlerweile einfach zu dunkel, um ohne Stativ ordentliche Fotos hinzubekommen. Der Leuchtturm ist der zweitälteste in Kanadas Westen, über 150 Jahre alt und ein wichtiger Teil in der Juan de Fuca Meerenge. Ach, ich mag einfach Leuchttürme, Ihr auch?
Es wurde dann ganz schnell ganz dunkel, wir fuhren zurück – und dann gab es noch eine Überraschung vom Kapitän. Er fuhr ganz langsam in den Haupthafen, sodass wir alle Lichter der Hotels und des Parlaments ausgiebig genießen konnten. Und seltsamerweise funktionierten diese Bilder auch ohne Stativ…
Ist das nicht toll?
Nach der wunderbaren Tour (wir fanden sie wirklich gut, spannend und ein Erlebnis der besonderer Art!) – es muss schon deutlich nach 22 Uhr gewesen sein, vielleicht sogar 22:30 – fuhren wir wieder mit einem späten Bus zurück zum Campground. Und siehe da, die Slide Outs funktionierten wieder!
TAG 8 – 02.08.2017
– gefahren: 129 km
– gelaufen: 7 km
– Übernachtung: Living Forest Oceanside CG & RV Park, Nanaimo
Am Morgen ging es schon wieder los. Slide Outs rein, dann testweise wieder raus – und wieder nichts, sie fuhren nicht raus. Immer das gleiche blöde Spielchen, was unser WoMo mit uns trieb… Mittlerweile ließ sich auch die Markise nicht mehr herausfahren und mehrere Steckdosen funktionierten nicht. Immerhin hatten wir nun genug Kleidung aus den Schränken herausgenommen.
Wir fuhren aber weiter – auch die nächste Werkstatt bzw. der “Besuch” dort brachte uns nichts, wieder ein Vorführeffekt. Wieder lief alles reibungslos. Die Sicherungen waren ok, das konnten sie uns immerhin sagen. Drei Tage lang hatten wir dann das gleiche Spiel. Mal ging es, mal wieder nicht.
Wir entschieden aber, weiterzufahren. Was hätten wir auch machen sollen? Nach Seattle – um das Auto zu tauschen – wollten wir nicht zurück, da wäre die ganze Planung im Eimer gewesen…
Unser Weg führte uns nach Nordosten, Richtung Nanaimo. Unterwegs hielten wir am Kinsol Trestle an (vom Parkplatz läuft man 1 – 1,5 km dahin). Das ist eine alte Eisenbahnholzbrücke, gebaut ab 1911 und im Betrieb bis 1979. Irgendwann wurde sie restauriert und wir fanden das gut, das ist schon eine beeindruckende Konstruktion – vor allem für unseren Sohn, der begeistert sich nicht nur für alles, was fliegt und fährt, sondern auch für Brücken.
Weiter ging’s nach Chemainus, ein kleines Örtchen an der Südostküste Vancouver Islands. Wir hielten da an, weil wir die vielen Wandmalereien sehen wollten – auf Häusern und Mauern sind viele Bilder aus der Ortsvergangenheit gemalt: street art der besonderen Art! Die ersten zwei Bilder hier sind auch die berühmtesten.
Am frühen Nachmittag waren wir dann an unserem Campingplatz in der Nähe von Nanaimo, “Living Forest”, gingen eine Runde im Nanaimo River (direkt am Strand des Campingplatzes) baden und genoßen den Abend.
Die Reise ging am nächsten Tag weiter nach Parksville für eine besondere Ausstellung, aber das zeige ich Euch im Teil 4 der Geschichte!
Hier noch mal der Überblick:
– Teil 1 – Flug & Seattle
– Teil 2 – Vancouver
– Teil 3 – Vancouver Island: Victoria mit Waltour (das hier)
– Teil 4 – Vancouver Island: Pacific Rim National Park
– Teil 5 – Unterwegs Richtung Rockies, Yoho NP, Banff NP
– Teil 6 – Icefields Parkway
– Teil 7 – Jasper National Park, unterwegs nach Seattle
Claudia sagt
Wow! Ich bin geflasht! Besonders beeindrucken mich die Lichter am Abend. Was für schöne Eindrücke. Und diese Eisenbahnkonstruktion ist der Hammer!
Ich werde mir in den nächsten Tagen Zeit abknapsen müssen, um weiter über Kanada zu lesen.
LG vom Deich
Claudia
Michael Engel sagt
wow, toll (natürlich nicht die Probleme mit dem WoMo), besonders die Waltour. Wir hatten diese auf Island. Und keine Bange, das Deutsch ist gut. Daumen hoch
Michael Engel sagt
Freue mich jetzt besonders auf die Rocky Posts, weil wir die Tour 2014 auch gemacht haben