Es ist etwas ruhiger auf meinem Blog geworden und das liegt einzig und alleine daran, dass ich zur Zeit im Urlaub bin. Ich habe Euch aber versprochen, dass ich meine freitägliche IPMK-Serie weiter führen werde, und das ist genau das, was ich heute tue: ich packe meinen Koffer und nehme für Euch mit… Bilder aus meiner Heimatstadt Bukarest. Und zwar nur die Hälfte davon heute, nächste Woche zeige ich Euch die anderen Fotos. Und dann vom Land, vom Ort, wo meine Eltern ihr kleines Ferienhaus haben.
Ich mag meine Heimatstadt Bukarest (Hauptstadt Rumäniens, ca. 2 Mio. Einwohner) vor allem, weil sie voller Kontraste ist. Das ist mir erst dann deutlich klar geworden, als ich mit der Fotografie angefangen habe und schon lange nicht mehr dort, sondern in Deutschland wohnte. Wenn man irgendwo lebt ist vieles aus dem Ort irgendwie Selbstverständlichkeit, man merkt das nicht, weil man das täglich sieht… So ging’s mir auch mit den Kontrasten. Zwischen neu und alt, zwischen modern und verfallen, zwischen Arm und Reich…
Die ersten 5 Jahren meines Lebens wohnten wir relativ zentral in einer Wohnung aus einem alten Dreifamilienhaus in einer ruhigen Sackgasse voller Kinder. Vor meiner Einschulung sind wir in eine 108 qm Wohnung mit fünf Zimmern in einem Wohnhaus – Plattenbau – umgezogen, und zwar zu sechst – meine Eltern, Großeltern mütterlicherseits, mein drei Jahre jüngeren Bruder und ich. Meine Großeltern und meine Eltern hatten jeweils ihre Zimmer, mein Bruder und ich unsere eigene, Wohnzimmer dazu, langer Flur, Küche, zwei kleine Bäder.
Als ich die Straße – ein sogenannter Boulevard (weil breit) – und die vielen Wohnblöcken sah, hatte ich auf einmal Angst, dass ich auf dem Weg von der Schule nach Hause unser Block nicht mehr finden werde, weil in meinen Augen alle gleich aussahen… Besonders schön waren sie von außen nicht, dafür hatten sich alle, je nach Möglichkeiten, bemüht, die Wohnungen von innen schön zu machen. Was meine Familie nach und nach auch tat – wir hatten bzw. haben echtes Parkett auf dem Boden in den Zimmern, die Wände wurden nach dem großen Erdbeben 1986 ordentlich verstärkt, die Bäder wurden irgendwann neu gemacht…
Es war ein gutes Zuhause, mit der Grundschule (Klassen 1-8 bei uns) und das Gymnasium jeweils 5 Minuten zu Fuß entfernt und jede Menge Kinder in der Nachbarschaft. Unser Block ist Teil einer Art Ring aus anderen ähnlichen Gebäuden, dazwischen liegt ein kleiner Park, wo wir immer gespielt haben. Wenn ein Kind nach seiner Mutter rief, kamen gleich mindestens zehn Frauen an den Balkonen, um zu sehen, ob das ihr Kind war. 🙂
Seit einigen Jahren wurden die Wohnhäuser nach und nach – mit den Geldern der Stadt aber auch mit EU Fonds, so weit ich weiß – von außen renoviert. Und zwar gedämmt, neu gestrichen und mit neuen, guten Fenstern versehen. Es sind bei weitem nicht alle gemacht worden, aber viele im Viertel meiner Eltern schon, das sieht deutlich freundlicher aus jetzt. Auch wenn man sich manchmal fragt, wer bei den Farben entschieden hat: dieser Block in Lila wird jetzt fröhlich der Milka-Wohnblock genannt ;-). Im Bild ganz links sieht man ein Gebäude, das noch nicht renoviert wurde…
Leider hängt der Kabelsalat überall und ich sehe das seit Jahren – es wird immer mehr, habe ich das Gefühl, obwohl ich jedes Mal höre, dass sie die Kabel unterirdisch verlegen wollen…
Meine Schule (hier unten links im Bild) – hier bin ich bis inklusive 8. Klasse gegangen, in Rumänien dauert die Grundschule so lange. Finde ich persönlich besser, aber heute möchte ich mich nicht über das Schulsystem, weder in Rumänien, noch in Deutschland, äußern. Die Schule “Nr. 17” steht in einem Gebäude von 1922 auf einem 5000 qm Grundstück. Ich bin gerne dort gewesen, ich habe dort von meiner ersten Klassenlehrerin “lernen gelernt”. Geschichten darüber erzähle ich Euch vielleicht ein anderes Mal. Ich habe gehört, die Schule Nr. 17 ist auf Platz 3 der Bukarester Schulen, wo die Nachfrage an Plätzen für die erste Klasse das Angebot bei weitem übersteigt, sie soll weiterhin eine gute Schule sein.
Im Bild rechts daneben ist ein Haus unweit der Schule, es zeigt die typische Bukarester Architektur im Brancoveanu-Stil, mit byzantinischen Einflüssen. Oder so kenne ich das zumindest, denn mit Architektur kenne ich mich sonst nicht so gut aus.
Aber ich quatsche, wie immer, zu viel und dabei haben wir uns nicht mal 500 m von meinem Haus entfernt! Weil wir in Bukarest nur zwei Tage hatten und weil wir das noch nie gemacht haben, beschlossen wir, die Bukarest City Tour zu machen – es gibt neuerdings solche Doppeldecker-Busse, da kann man hop on – hop off -mässig die Stadt bzw. das Zentrum erkunden. Erwachsene zahlen knapp 6€ für einen Tag, Kinder ab sieben gute 2€. Leider fuhren die Busse just an dem Tag eine geänderte Route, weil am Abend auf einem Teil davon das Konzert von Robbie Williams stattfand… Und leider, wie ich fand, fuhren sie ein kleines bisschen zu schnell, um ordentlich Fotos machen zu können, daher sind einige nicht besonders scharf (bzw. ich habe sie teilweise mit dem Handy gemacht).
Los ging’s am Triumphbogen (ja, wie in Paris), der zur Zeit leider renoviert wird, so dass ich keine Bilder davon habe, entlang der Kiseleff-Chaussee bis zum Piata Victoriei (der Platz des Sieges), wo sich der Sitz der Regierung befindet.
Dann weiter entlang Calea Victoriei (Siegesstraße – Sieg gegen den Türken 1878), einer der ältesten und wichtigsten Straßen in Bukarest, knapp 3 km lang. Ein Teil davon ist sogar unter Denkmalschutz und enthält viele schöne Bauten und Denkmäler. Da wäre z. B. das Athenäum, wunderschönes Konzerthaus.
Oder der ehemalige Königspalast, heute Kunstmuseum – Rumänien war bis 1947 Königreich und wurde z. T. von deutschen Königen regiert – von den Familien von Hohenzollern und Sigmaringen.
Direkt gegenüber steht die Zentrale Universitätsbibliothek, die während der Revolution 1989 zum Teil abgebrannt ist (und damit 500.000 Bücher…). Ich habe nachgeschaut: zur Zeit hat die Zentrale Universitätsbibliothek fast 1,9 Millionen Bücher und Dokumente, ein Drittel davor in diesem Gebäude. Davor steht die Statue vom König Carol I, der 1891 den Wunsch äußerte, dass für alle Studenten eine Bibliothek gebaut wird und dann eine Stiftung gründete, um die universitäre Elite zu fördern.
Ein bisschen weiter steht das Gebäude des Ministeriums für Arbeit, bis 1989 Sitz der kommunistischen Partei. Von hier aus floh der Diktator Ceausescu mit dem Hubschrauber, bevor er gefasst wurde. Direkt gegenüber sieht man die schöne, sehr alte (1720) Kirche Cretulescu und es wundert mich, dass das so ist, weil Ceausescu Kirchen nicht mochte – viele Kirchen wurden auf sein Kommando zerstört oder regelrecht auf Rollen so bewegt, dass sie von der Straße entfernt und nicht mehr zu sehen waren, weil davor dann Wohnhäuser gebaut wurden!
Weiter unten auf Calea Victoriei steht der Cercul Militar National – der Nationale Militärkreis, ein Offizierskasino – heute dürfen aber auch “normale” Leute und Toursiten das Gebäude von 1911 besuchen.
Viele Gebäude zeigen erst beim Blick durchs Teleobjektiv ihr ehemaliges Charme, weil viele nicht saniert wurden und man ihr Alter deutlich sieht.
Fast am anderen Ende der Straße befindet sich die Große Sparkasse – Cecul Mare – ein wunderbares Gebäude, auch von innen, das mich immer fasziniert hat, und das Nationale Geschichtsmuseum mit den vielen Treppen und Säulen.
Was man leider auch findet sind Gebäude, die bei den bisherigen großen Erdbeben (1977, 1986, 1990) dermaßen beschädigt wurden, dass sie nun einen “roten Kreis” (“bulina rosie”) mit “clasa I de risc seismic” bekommen haben – ein Schild, das besagt, dass dieses Gebäude nicht sicher ist bzw. Klasse I bedeutet, dass das sehr möglich ist, dass das Gebäude beim nächsten großen Erdbeben einstürzen wird. So können Wohnungen in solchen Häuser kaum noch verkauft oder vermietet werden, so dass einige Eigentümer diese Schilder wieder abmachen… sie kommen aber wieder dran…
Bukarest hat auch einen Fluss, die Dambovita. Leider ist dieser nicht besonders schön oder romantisch, viel davon wurde kanalartig angelegt. Ceausescu wollte sogar einen Kanal zwischen dem Fluss und dem Schwarzen Meer bauen lassen, damit er mit dem Schiff bis zu seiner Villa dort fahren konnte. Zum Glück ist dieses Projekt nicht wahr geworden. Unten am Fluss kann man den Justizpalast finden, neue und ältere Gebäude aber auch…
Zwei-drei Ecken weiter findet man aber doch etwas aus der Kategorie Wahnsinnsprojekt bzw. Herrschaftsarchitektur, und zwar das früher so genannte Casa Poporului – Haus des Volkes, heute Palatul Parlamentului – Parlamentspalast. Leider fand das Konzert von Robbie Williams genau auf dem Platz davor statt, so dass der Bus nicht direkt daran entlang fahren und ich das Gebäude nur aus der Entfernung – dank des Teleobjektivs – fotografieren konnte. Es hat über 5000 Räume, das größte davon umfasst ca. 2200 qm. Es ist das zweitgrößte (Verwaltungs-)Gebäude der Welt, nach dem Pentagon, für den Bau wurden 1 Million Kubikmeter Marmor aus Siebenbürgen benutzt. Aber schön ist anders…
Der Bus fährt weiter an “Unirea” vorbei, das war früher und ist immer noch eine Art Shopping Mall (wobei “früher” so gut wie nichts Ordentliches dort zu kaufen war…), wir sind im Zentrum der Stadt.
Weiter vorne ist das Intercontinental Hotel, auf der rechten Seite das seit einigen Jahren sanierten Krankenhaus Coltea, das allererste Krankenhaus in Bukarest.
Und quer über den Universitätsplatz (Piata Universitatii) ist das Hauptgebäude der Universität. Hier sind Mathematik, Geschichte, Geographie, Sprachen, Architektur… untergebracht, Medizin, Jura, Wirtschaft, Technik haben eigenständige Gebäude bzw. Unis woanders in der Stadt. An diesem Platz ist auch viel Blut während der Revolution im Dezember 1989 geflossen, hier finden u. a. auch die meisten Demonstrationen statt, wenn es um etwas Wichtiges geht.
Von dort aus sind wir weiter zu Fuß durch die Altstadt gelaufen, aber das ist ein Kapitel für nächste Woche, ich möchte Eure Geduld nicht weiter strapazieren. Hoffentlich hat Euch die kleine Tour bisher gefallen, wie sind Eure Eindrücke?
Morgen findet Ihr übrigens hier auf dem Blog das Rezept des Monats August, auch etwas aus Rumänien ;-).
frau nahtlust sagt
Boah- ich konnte jetzt noch nicht alles in Ruhe anschauen und lesen, sondern bin das gerade etwas schneller durchgegangen, aber wunderschön! Ich war noch nie in Rumänien, aber die Stadt sieht sehr reizvoll aus. Weiterhin schönen Urlaub und gute Erholung!
LG. Susanne
Miss-Red-Fox sagt
Liebe Susanne,
es freut mich, dass Dir meine Stadt gefällt! Sie hat natürlich auch viele unschöne Seiten – ja, ganze Viertel davon, vor allem da, wo viel Plattenbauten stehen – aber welche Groß- oder Hauptstadt hat das nicht?
Nächste Woche gibt's Bilder aus der Altstadt! Danke fürs Vorbeischauen!
LG Ioana
glückszauber sagt
Liebe Ioana,
wow, was für ein schöner und persönlicher Einblick in deine Heimatstadt! Eine solche "Stadttour" wirkt doch ganz anders, wenn eine "Einheimische" davon berichtet – fast wie bei einem Reiseführer, die wissen auch immer die interessanten Zusatzdetails. 😉
Ich wünsche euch viel Spaß und Erholung im Urlaub und bin schon gespannt auf die Fortsetzung!
Liebe Grüße,
Sarah
Miss-Red-Fox sagt
Liebe Sarah,
danke Dir! Ich habe es zumindest versucht, ein einigermaßen guter "Reiseführer" zu sein! Ich hätte deutlich mehr Geschichten, aber das würde hier komplett den Rahmen sprengen. Vielleicht nach und nach in anderen Posts…
Liebe Grüße nach Deutschland,
Ioana
Claudia sagt
Liebe Ioana!
Ich bin sehr fasziniert von der wunderschönen Architektur der alten Gebäude und von deinen Erzählungen!
Danke für deinen schönen Post und ich freue mich schon auf die Fortsetzung nächste Woche.
Alles Liebe vom Deich
Claudia
Miss-Red-Fox sagt
Danke auch, liebe Claudia, auch dafür, dass Du so viel Interesse schon im Vorfeld gezeigt hast! Ich freue mich immer, wenn ich etwas aus meiner Heimat zeigen oder erzählen kann!
LG Ioana
likeschocolate sagt
Thank you for taking me along on your travels! Looks like you had a lovely time!
Miss-Red-Fox sagt
Thank you! Yes, it was a nice time! Stay tuned, next week I'll show some more pictures!
*nane sagt
wow, Iona, das ist toll. Ich war auch noch nie in Rumänien und finde Deinen Bericht mit den vielen Fotos sehr interessant.
Welch große Gegensätze, auf der einen Seite die wunderschönen alten Gebäude und auf der anderen Seite die Plattenbau-Wohnblöcke……aber das ist ja nicht die einzige Stadt, in der es solche Unterschiede gibt……eher eine von vielen ( allen ) Großstädten.
Liebe Grüße
und weiterhin einen schönen Urlaub !
Nane
Miss-Red-Fox sagt
Das ist ja immer so, liebe Nane, große Städte haben auch ihre Schattenseiten und Gegensätze… daher mag ich das Leben dort vielleicht auch. Aber ich mag auch das Leben in meinem überschaubaren, ruhigeren Ort jetzt in Deutschland, klein(er) ist auch gut! 😉
LG Ioana
CountryMouse sagt
Such a contrast between the old and the new. The housing blocks being done up do look much better but the colour choice is interesting. The school you went to looks very pretty on the outside. There are so many beautiful old buildings there. I can't imagine growing up in such a big place though.