Nach Kyoto und dem Besuch der Burg Himeji sind wir weiter mit dem Shinkansen nach Hiroshima gefahren und von da aus mit einem lokalen Zug und der Fähre nach Miyajima.
Als ich von Miyajima erfuhr, wollte ich unbedingt hin – die Insel mit dem riesigen Torii im Wasser gehört zu einer der drei schönsten Landschaften Japans. Aber es ist schon weit weg Richtung Westen, wenn man von Kyoto aus kommt und wir waren einige Male kurz davor, auf dieses Ziel zu verzichten und einen Tag länger in Kyoto zu bleiben. Am Ende entschied ich mich doch dafür: die Reise geht also weiter gen’ Westen.
Miyajima
Miyajima heißt eigentlich Ituskushima und bedeutlet wörtlich “Schrein-Insel”. Sie galt früher als heiliger Ort, man durfte dort weder Kinder gebären, noch sterben. Ich frage mich, wie Letzteres funktionieren sollte, so was plant man ja nicht… Auf jeden Fall werden auch heutzutage Tote von dort weggebracht. So weit ich weiß, durften Frauen die Insel erst ab dem 20. Jahrhundert betreten. Strange…
Über Miyajima thront der Berg Misen, an dessen Fuß direkt am Wasser der Itsukushima Schrein mit dem riesigen Torii davor steht. Der Schrein steht auf Plattformen & Pfeilern, sodass er stets über Wasser ist, wenn die Flut kommt.
DAS aber sagte mir keiner und ich las es auch nirgendwo (schlechte Reiseplanung diesmal…): es gibt starke Ebbe und Flut dort, mal ist das Wasser da, mal nicht.
Als wir ankamen war das Wetter naß und nebelig und ich ärgerte mich schon innerlich, weil ich gerne ein schönes Foto mit dem Torii vor dem Sonnenuntergang gehabt hätte. Aber als wir an den Strand gingen… war blöderweise kein Wasser um das Torii da und auch nicht um den Schrein!
Ich recherchierte schnell, dass die Flut erst gegen Mitternacht kommen würde, machte doch ein Foto (das hier oben) und wir liefen zurück zu unserer Unterkunft.
Sakuraya Ryokan
Teuer ist es auf Miyajima auch! Ich habe dafür wirklich lange gesucht, ein mir empfohlenes Ryokan hatte alle Zimmer schon vergeben (und für 550 die Nacht für uns alle wäre das schon sehr, sehr teuer gewesen…). Am Ende fand ich ein Zimmer mit Buchtblick in “Sakuraya”, das ist ein ganz einfaches Ryokan sehr nah an der Fähre und nur 5 Minuten zu Fuß zum Torii.
Zimmer-Kategorie: gefühlt 2-2,5 Sterne (immerhin mit eigenem Bad, die meisten Zimmer haben ein Gemeinschaftsbad). Der Stil: japanisch, mit Tatami-Boden und Futons (an sich ok), das Bad: aus Plastik (auch die Wände). Aber ein eigenes Bad. Dafür durften wir 260€ für die eine Nacht bezahlen. Ich nehme an, die Location macht den Preis…
Angesicht des schlechten Wetters und der späteren Uhrzeit, liefen wir ein bisschen durch den Ort und fanden schnell ein ansprechendes Restaurant: die Miyajima Brewery, im oberen Stock eines Gebäudes direkt am Strand gelegen, sehr modern eingerichtet und, wie sich dann herausstellte, mit leckerem Essen und Bier.
Wir wählten ein Bier-Probierset (ein Weizenbier !, ein Zitronen Ale und ein Austern-Starkbier), frischen Lachs und im Anschluß auch noch eine Käseplatte (so was gibt’s wohl auch in Japan :-)).
Aus dem Restaurantfenster konnten wir beobachten, wie jemand einen der herumlaufenden Hirsche – ja, es gibt sie auch auf Miyajima – mit seinem Schirm vor dem Regen schützte. Sachen gibt’s!
Itsukushima Schrein / Torii
Bis Mitternacht wollte ich nicht mehr warten, wir waren nach der langen Reise ab Kyoto / Himeji schon sehr müde. So ging ich bereits gegen 22 Uhr wieder zum Strand, bewaffnet mit einem aus dem Hotel geliehenen Schirm, Stativ, Fernauslöser und Kamera und machte noch einige Fotos. Das Wasser war ja noch nicht ganz “da”, aber das reichte mir fürs Erste. Zumal: versucht mal, einen Schirm zu halten UND gleichzeitig eine Spiegelreflexkamera samt Fernauslöser zu bedienen. Drei Hände wären da besser gewesen.
Am nächsten Tag liefen wir wieder dahin. Der Regen war stärker und anhaltend, nicht so schön.
Ich hatte mich zwar geärgert, dass ich das Ganze nicht bei Sonnenschein sehen konnte, im Nachhinein war ich aber sogar happy wegen des schlechten Wetters. Ich fand die Atmosphäre auf der Insel wunderbar, mit dem Dunst, der aus den Wäldern auf Mount Misen herauskam und mit dem Nebel hinter dem Torii. Sonnenscheinfotos haben viele, ich habe schöne Regenwetterfotos ;-). Und die Erinnerungen, natürlich.
Der Schrein selbst ist schön und korridorartig gebaut, man läuft durch diverse Gänge, die mich ein bisschen an Strandpfade erinnerten, hätten sie kein orange-roten Pfosten / Dächer gehabt.
Die Farbe überhaupt scheint eine Art Standard zu sein – vielleicht gibt es so was wie ein RAL Ton? – denn wir haben sie in mehreren Schreinen gesehen, auch am Fushimi Inari zum Beispiel. Es soll die bösen Geister weghalten, schützt aber wohl auch gegen Korrosion.
Zu unserem Glück hatte im Schrein gerade eine Hochzeit stattgefunden und die Priester waren gerade dabei, die Zeremonie zu Ende zu bringen (Braut und Bräutigam waren erst einmal nirgendwo zu sehen). Sie sangen und spielten Musik und beteten.
Am Ende sahen wir doch das Brautpaar, das sich für die obligatorische Fotosession aufstellte. Miyajima soll eine der teuersten und begehrtesten Locations für shintoistische Hochzeiten sein, aber das Brautpaar hier hätte sich sicherlich besseres Wetter gewünscht…
Wir liefen weiter und sahen zu, wie der Dunst aus dem Wald, der Nebel und der Regen dichter wurden. Eigentlich nicht schön aber irgendwie dann doch – DAS ist für mich der Inbegriff asiatischer Landschaften. Viel Grün, Berg und Wald, Nadelbäume und dazu Dunst und Nebel.
Das Torii und die Pagode vervollständigten das – für mich schöne – Klischee, das ich im Hinterkopf hatte.
Zum Schrein gehört ja auch das große hölzerne Torii, das im Wasser gebaut ist. Das ist nicht das erste, sondern sogar das 8. Tor, das im Laufe der Zeit gebaut wurde – Wetter und Wasser sei “dank”.
Das hier steht an seiner Stelle seit 1875, ist 16,6 m hoch und ca. 60 Tonnen schwer. Seine zwei Hauptpfosten sind aus Campher-Holz gebaut, das Wasser und Insekten sehr gut aushalten kann. Die kleineren sind aus Zedernholz, die Querbalken oben aus Zypresse. Im Dach befinden sich 7 Tonnen Steine, damit das Tor noch schwerer wird. Es hält den Fluten – und den Taifuns – übrigens nur durch sein Eigengewicht stand!
Wir liefen dann zurück zum Ryokan, vorbei an wetterschiefen Bäumen und Steinlaternen – wir hatten entschieden, schneller als geplant weiter zu fahren und nicht noch den Rest der Insel zu erkunden. Der Regen war einfach zu stark und so konnten wir doch etwas mehr Zeit in Hiroshima verbringen, bevor wir weiter am Nachmittag zurück nach Tokyo mussten…
Das Torii war schon sehr verwittert, es wird jetzt seit dem Sommer renoviert. Gut, dass wir es noch sehen konnten.
Tschüss Miyajima, ich habe es nicht bereut, doch die lange Reise dorthin gemacht zu haben!
Hiroshima
Wir hatten überlegt, ob wir den Kindern das zeigen wollten und uns am Ende entschieden, dass sie groß genug sind, um zu verstehen, was da passiert ist. Geschichte ist wichtig und man soll daraus lernen!
Allerdings hat UNS keiner auf das vorbereitet, was emotional auf uns zukommen würde. Ich meine: man kennt die Geschichte und man weiß, dass sie schrecklich ist. Man erwartet, dass die Stimmung bedrückend ist und dass man sich traurig fühlt.
Aber du stehst da vor dem Friedensdenkmal, mitten im Regen, und wirklich aus dem Nichts fängst du an zu weinen! Was für eine Erfahrung! Aber ich nehme an, die muss man auch einmal im Leben machen, um noch mehr zu verstehen, was wir uns selbst als Menschheit antun und dass das keine gute Sache ist… Wie hieß es im Buch / Film “Contact” von Carl Sagan so passend?
“You are an interesting species. An interesting mix. You’re capable of such beautiful dreams, and such horrible nightmares.”
Friedensdenkmal / A-Bomb-Dome
Das ist das einizige Gebäude, was meines Wissens nach in dem Zustand belassen wurde, der durch den Bombenabwurf ausgelöst wurde (das Gebäude war direkt unterhalb des Explosionszentrums und hat weniger von der Druckwelle abbekommen – daher wurde es nicht wie so vieles Andere komplett zerstört) und jetzt Teil des Friedensparks.
Es ist Mahnmal, Gedenkstätte und seit 1996 auch Weltkulturerbe.
Kinder-Friedensmonument
Dieses Monument, auf dessen Spitze ein Mädchen mit einem Origami-Kranich (Orizuru) abgebildet ist, befindet sich ebenfalls im Friedenspark in Hiroshima. Es wurde für Sadako errichtet, ein Mädchen, das wegen der Spätfolgen der Atombombenverstrahlung starb.
Sie war nur 2,5 Jahre alt, als die Bombe fiel, überlebte und war dann lange Zeit gesund. Mit 10 Jahren bekam sie aber Leukämie, wie viele andere Überlebende auch. Sie fing an, während ihrer Krankheit Origami-Kraniche zu falten, in der Hoffnung, 1000 davon zu schaffen.
Eine japanische Legende besagt, wer 1000 Kraniche faltet (Sembazuru), der bekommt von den Göttern einen Wunsch frei. Ich wusste, dass sie die 1000 nicht geschafft hat, jetzt lese ich aber, dass sie sogar noch mehr als das schaffte. So oder so blieb ihr Wunsch leider unerfüllt, wieder gesund zu sein und sie starb, als sie 12 Jahre alt war.
Die Stimmung vor dem Kinder-Friedensmonument, das von japanischen Schulen gestiftet wurde, war noch bedrückender. Mir läuft ein Schauder über den Rücken und Tränen über die Wangen im Moment, in dem ich das schreibe. Ich kann mir das nicht erklären: es ist unheimlich traurig, was da passiert ist.
Meine Familie war nicht direkt betroffen. Dennoch denke ich, dass das nicht nur ein Ausdruck der Traurigkeit und des Entsetzens ist, sondern auch ein Gefühl von Glück, dass die eigenen Kinder in einer – durchaus – friedlichen Welt bzw. Zeit leben und gesund sind.
Eine Schulklasse nach der anderen kam dahin, alle Kinder verbeugten sich tief und beteten, um dann noch etwas zu singen. Als wir ankamen, sangen sie gerade “Imagine” von John Lennon. Heftig! Mehr muss ich nicht sagen…
Direkt neben dem Sadako-Monument sind Schaukästen angebracht, in denen Bilder aus Origami-Kranichen platziert sind. Sie wurden von Schulkindern gemacht.
Kenotaph und Flamme des Friedens
Weiter im Park gibt es ein Kenotaph – ein Denkmal für die Opfer. Viele Namen stehen darauf. Mittlerweile fast 300.000 !!! Inklusive der Opfer der Spätfolgen auch nach Jahrzenten sowie denen, die mit geschädigtem Erbgut geboren wurden und keine Chance auf ein “normales” Leben hatten.
Dahinter steht die Flamme des Friedens. Sie wurde am 1. August 1964 entzündet wird als “Ewiges Feuer” brennen, solange es auf der Welt noch Atomwaffen gibt.
Friedensglocke
Am Ende schauten wir uns noch die Friedensglocke an und läuteten sie auch. An der Stelle, wo der Balken darauf trifft, ist ein Atom-Symbol dargestellt, auf der Rückseite ein Spiegel, der das Herz des Läutenden widerspiegeln soll.
Das Geräusch der Friedenglocke wurde in Japan vom Umweltministerium als eins der “100 Geräusche Japans, die es zu erhalten lohnt” festgelegt.
Ich habe dann selbst noch einen Papierkranich gebastelt und ihn auf der Brücke gelassen, die zum Friedensdenkmal zeigt…
Meine Gedanken zum Ende des Posts? Hiroshima muss man sich ansehen, auch mit Kindern. Punkt.
Wir haben uns das Museum nicht angeschaut, da es wegen Renovierung geschlossen war, aber DAS hätte ich den Kindern wahrscheinlich eh’ nicht zeigen wollen. Dort gibt es auch viele Fotos der Opfer. So oder so haben sie die bedrückende Stimmung aber aufgenommen und verstanden, zu was der Mensch leider fähig ist. Man sollte aus Geschichte lernen und dafür ist ein Besuch in Hiroshima, wenn man schon in Japan ist, Pflicht.
Als letzter Teil der Reise nehme ich Euch nach Kamakura in der Nähe von Tokyo mit. Kommt Ihr vorbei?
Was meint Ihr: müssen Reisen immer Spaß machen und entspannend sein? Oder darf / soll man sich auch mal traurig fühlen dabei? Hattet Ihr bereits so ein bedrückendes Erlebnis auf Reisen und wo?
Hier der besseren Übersicht halber noch mal alle Teile des Reiseberichts:
- Tokyo
- Fuji
- Kyoto
- Ausflugsziele aus Kyoto: Nara, Fushimi Inari, Himeji
- Miyajima und Hiroshima (das hier)
- Ausflugsziel aus Tokyo: Kamakura
- Papier- und Schreibwaren-Shoppingtipps
- Food und Einkaufen
Vanessa sagt
Hallo Ioana!
Beim Lesen deiner Zeilen kommen auch hier die Erinnerungen und Gefühle wieder, die ich in Hiroshima hatte.
Du hast es sehr treffend beschrieben. Ein besonderer Ort, und eine wichtige Mahnung an alle!
Ich sehe es genau wie du, Geschichte erleben, auch die unschönen und schreckliche Aspekte, ist wichtig. Sehr.
Darüber sprechen setze ich, insbesondere mit Kindern voraus. Wirken lassen. Daraus lernen, ein Stück Frieden, für sich selbst, sein Handeln und andere Menschen, mitnehmen.
Hatte mich ganz bewusst für das Ziel Hiroshima und Miyajima entschieden. Es sind beides für sich sehr besondere Orte, die ich jedem ans Herz lege!
Und wahrscheinlich werde ich sie ein zweites Mal besuchen!
Hab Dank fürs Eintauchen in Eure Reise.
Herzliche Grüße- Vanessa
miss red fox sagt
Liebe Vanessa,
sehr gerne!
Und ja, so ist das! Kinder müssen so früh wie möglich aus der Geschichte lernen können.
Hab’ viel Freude bei Deinen weiteren Reiseplanungen, ich wünsche Dir, dass Du schnell wieder nach Japan reisen kannst!
Liebe Grüße!
Vanessa sagt
Lieben Dank! 🙂
Die Vorfreude ist super und jetzt habe ich noch einige neue Ideen durch dich bekommen!
miss red fox sagt
Ich bin sehr gespannt, was Du dann planst! LG Ioana
Jeanette sagt
Hallo Ioana,
auch bei mir holen deine Bilder und Erzählungen, die verschiedensten Erinnerungen und Emotionen aus meinem Gedächtnis hervor. Und ich erinnere mich an Hiroshima nur zu gerne 🙂
Es war für mich persönlich eine unserer schönsten Stationen in Japan. Trotz des geschehenen Grauens, hat Hiroshima ein so ganz eigenes Flair, dass erlebtes mit Moderne verbindet.
Das Museum erzeugt übrigens durchgehend Gänsehaut und ein tiefes und bleibendes Mitgefühl und war für mich eine Mahnung an unsere heutige Welt, so etwas nie wieder geschehen zu lassen! (Für jüngere Kinder eventuell etwas zu viel.)
Außer dem Friedenspark gibt es auch einen großen Garten (mir ist der Name leider entfallen), in dem ich einige wundervolle Stunden verbracht habe.
Kulinarisch sollte man übrigens unbedingt die Hiroshima-Okonomiaki probieren. Für mich neben Original japanischen Motchi mein absolutes Highlight (koche ich heute sehr gerne Zuhause nach)
Wie sehr ich Japan doch vermisse und wie sehr ich mich auf einen nächsten Besuch im Land der aufgehenden Sonne freue ^^
LG Jeanette
miss red fox sagt
Hallo Jeanette,
danke fürs Teilen Deiner Reiseerinnerungen! In Hiroshima waren wir leider nur zu kurz, aber das war umso intensiver, die Erfahrung.
Okonomiaki haben wir auch probiert und für lecker empfunden, ich koche das auch ab und zu nach 🙂 – neulich erst eine Sauce dafür in einem neu eröffneten Asia-Markt entdeckt. Noch mehr hat mir aber dieses Essen geschmeckt – dessen Namen ich leider vergessen habe (Omurice vielleicht?) – mit Reis, darüber eine süßliche, dunkle Fleischsauce und obendrauf Omelette.
Mein Highlight, neben Miyajima, war allerdings die Altstadt von Kyoto, ich hätte da noch viel mehr Tage verbringen können…
Nächstes Mal – wann auch immer – vielleicht. Und dann würde ich gerne auch Hokkaido sehen. Ich vermisse Japan auch sehr…
Liebe Grüße
Ioana