Ein offener Brief an meinen Sohn…
Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, wann die Zeit seit Deiner Geburt so schnell vergangen ist, lieber Schatz. Es kommt mir wie gestern vor, dass Du geboren wurdest, an einem total verschneiten aber sonnigen Tag in München. An einem Aschermittwoch. Man sagt, am Aschermittwoch hört der (Karneval-)Spaß auf, aber ich habe gesagt, erst jetzt geht die Party richtig los. Und wir haben viel Spaß gehabt – Fahrradfahren gelernt, Unmengen an Legos verbaut, Spielautos hin und her geschoben, Züge am Bahnhof beobachtet und Flugzeuge am Himmel, Bücher gelesen, gezeichnet, im Sand gebuddelt… :-). Aber mein neugieriger, pfiffiger, technisch interessierter, musikalischer und viel, viel, viel erzählender kleiner Junge ist auf einmal so schnell groß geworden und geht in die Schule.
Du warst Dir nicht so sicher, ob Du Dich an Deinem großen Tag so richtig freust oder aufgeregt bist, aber das warst Du schon ein bisschen. Am Ende hast Du nur noch gestrahlt. Aber wer würde nicht aufgeregt sein. Und Deine Mama – ich – noch mehr als Du. Sie hat sogar im Auto auf dem Weg zur Schule unerwartet und sicherlich ungeplant aus dem Nichts angefangen zu heulen (ja, laut heulen), als Dein Papa “Tage wie diese” abspielte und es hieß “An Tagen wie diese, wünscht man sich Unendlichkeit, An Tagen wie diese, haben wir noch endlich Zeit, Wünsch’ ich mir Unendlichkeit…”.
Ja, ich wünschte mir schon ein bisschen Unendlichkeit, dass Du noch eine Weile ein kleines Kind ohne Sorgen bleiben kannst. Der Ernst des Lebens beginnt jetzt, wie man so sagt… Und Du bist zwar oft ernst und konzentriert, wenn Du was tust, was Dich interessiert, aber Du kannst auch so herzlich und ansteckend lachen, dass ich hoffe, dass der Ernst des Lebens Dich nicht so schnell einholt. Wenn ich Dich aber noch einmal zudecke, bevor ich selbst in Bett gehe und Dich im Schlaf streichele und Deinen ruhigen Schlaf beobachte, dann ist Dein Gesicht so entspannt und Du bist noch ein bisschen wie (viel) früher – mein Baby.
Ich kann bekanntlich schwer loslassen… so bin ich nun mal. Aber ich freue mich auch sehr, dass Du zu so einem wunderbaren großen Jungen geworden bist. Und dass Deine Schwester ein wunderbares großes Mädchen ist.
Wir – Papa, Deine Schwester, Deine vier Großeltern, Dein Patenonkel und ich – haben Dich an diesem heißen, sonnigen Tag zur Schule begleitet, uns angeschaut, wie Du Deinen Freunden, die zum Glück auch in Deiner Klasse sind, stolz Deine Schultüte gezeigt hast, wir haben zusammen das Minimusical der anderen Klassen zu Euren Ehren angeschaut und einen dicken Kloß (zumindest ich) im Hals gehabt, als Ihr Eure Lehrerin zur ersten Schulstunde in die Klasse begleitet habt. Ich weiß, dass sie in zwei Jahren leider in die Rente geht, ich wünsche Dir aber, dass sie bis dahin eine gute Lehrerin für Dich ist, die Dich versteht und Dich fördert und Deine Neugier zu nähren weiß.
Nachher sagtest Du uns, Du müsstest nun jeden Tag zur Schule gehen, erst ab Montag geht es aber richtig los, mit Mathe und Deutsch und so… Zuhause konntest Du es kaum abwarten, Deine Schultüte zu öffnen und – ich hab’s kommen sehen – irgendwann hast Du auch Deinen Kopf darin gesteckt, auf der Suche nach versteckten Bonbons, genau so wie Deine Schwester vor fünf Jahren.
Außer den Spielsachen und den Süßigkeiten mochtest Du am liebsten auch Deine allererste Armbanduhr, Du hast den ganzen Tag versucht, uns zu sagen, wie spät es ist. Das müssen wir noch üben, wir haben aber noch so viel Zeit dazu ;-).
Wir haben schön beim Mexikaner zu Mittag gegessen und dann den einen oder anderen Kuchenstück auch…
…später hast Du auf der Terrasse Deine erste Hausaufgabe gemacht – die Lieblingsinhalte aus Deiner Schultüte mussten gezeichnet werden (aber ganz präzise, wie immer bei Deinen “technischen” Zeichnungen). Und schon wieder ein Déjà-vu, auch Deine Schwester saß damals mit der ersten Schultütenhausaufgabe auf der Terrasse…
Ich freue mich sehr für Dich, dass Du nun endlich in der Schule bist und hoffentlich gut gefördert wirst, der Kindergarten hier war ja eher der Reinfall in dieser Hinsicht, sie haben sich leider nicht so gut um Euch gekümmert… Ich freue mich, dass Du Dich freust, in der Schule zu sein, es kommt mir aber auch schwer vor, weil die Zeit zu schnell vergeht.
Manchmal wünschte ich mir, ich wäre eine kleine Fliege, die sich in Deinem Klassenzimmer hinter der Deckenlampe versteckt und schaut, was Du so machst – auch, weil ich selber sehr gerne in die Schule gegangen bin und ab und zu wieder gerne dahin gehen würde. Aber das geht nicht, und das ist vielleicht gut so, Du musst Deinen Weg gehen. Außerdem würden dann wahrscheinlich nicht nur eine, sondern 23 Fliegen an der Decke hängen, und dass muss nicht sein ;-).
Für Deinen Schulweg wünsche ich Dir (und nicht nur ich), dass Du gute Freunde findest, dass Du neugierig bleibst, motiviert, begeistert und viel lernst über alles, was Dich interessiert und noch viel mehr dazu, dass Du Spaß hast und viel lachst, dass Du Dir selbst treu bleibst, dass Du Mut hast, Neues auszuprobieren. Ich wünsche Dir, dass Du in der Schule glücklich bist und erfolgreich auch, dass Du Deine Zeit genießt. Du solltest Dich engagieren und fair sein, empathisch sein und anderen helfen. Und bleib’ gesund, mein Schatz!
Ich liebe Dich! Und ich bin immer da, wenn Du mich brauchst!
Mama
Pia sagt
Eine so schöne Liebeserklärung an deinen Sohn. Da werden bei mir Erinnerungen wach und ich wünsche dir, dass die Schulzeit so gut geht wie ich es mit unseren beiden Töchtern erleben durfte.
L G Pia
Kirsten R. sagt
Menno Ioana,
bei deiner Liebeserklärung an deinen Sohn habe ich richtig Pipi in den Augen!
So schöne Worte, hach!
Ich freue mich, das deine geniale Schultüte bei deinem "großen" Jungen so gut angekommen ist. Hätte mich auch sehr gewundert, wenn nicht!
Ich wünsche deinem Sohn eine wunderschöne Schulzeit!
Liebe Grüße,
Kirsten
LOCKwerkE sagt
Liebe Ioana,
wunderschöön geschrieben und ich könnte diesen Brief fast genauso an meine Jüngste weitergeben. Nur, dass sie nicht an Aschermittwoch, sondern wirklich am Karnevalssonntag geboren ist ;-). Auch sie ist letzte Woche in die Schule gekommen und freut sich nun schon das ganze Wochenende auf morgen, wenn es dann endlich losgeht. Alles Liebe wünsche ich deinem Sohn und eurer Familie Karin
Lilamalerie sagt
Die Einschulung meines Sohne ist nun tatsächlich schon 20 Jahre her (Uaaah, wo ist die Zeit geblieben????)
Und doch kann ich mich an so vieles, was du in deinem wunderschönen Brief ansprichst erinnern, und die Gefühle noch so gut nachvollziehen.
Mein Sohn hatte eine wunderbare Grundschulzeit mit einer tollen Klassenlehrerin, einer wunderbaren Referendarin, vielen schönen Erlebnissen und viel selbständigem Lernen.
Auch das Gymnasium hatte seine Höhen, …und pubertätsbedingten 😉 Tiefen.
Heute ist mein Sony ein glücklicher, junger Mann, der sein Leben mit Arbeit, Hobby, Freundin und Freunden lebt.
Ich war sehr gerührt von deinem Brief und sende dir und deinem Sohn die besten Wünsche,
GLG,
Monika